Schreiben, was wir denken - unabhängig und unbeeinflusst. Das wollen wir. Unsere Texte werden kritisch, politisch, besinnlich und kulturell geprägt sein und immer wieder durch etwas Neues, nicht selten auch Amüsantes, ergänzt werden. Kommentare und Textbeiträge nehmen wir jederzeit gerne entgegen. Sie werden von uns wahlweise veröffentlicht oder als Anregung verstanden.
Schon Tage bevor der Bundesrat am 16. Februar 2022 das Ende der Pandemie-Schutzbestimmungen und die Wiedererlangung der Normalität verkündet, berichten die Medien vom bevorstehenden „Freedom Day“. Wenn es unbedingt auf Englisch sein muss, obwohl die eigene Muttersprache über ein äusserst reiches Vokabular verfügt, könnte man es treffender den „Capitulation Day“ nennen, den Tag, an dem sich der Bundesrat dem Druck der Ungeduldigen unterworfen hat. Aber es stimmt, „Freedom Day“ klingt besser und besagt genau das, was uns der Bundesrat suggerieren möchte: die Befreiung aus den Zwängen der Pandemie. Ob Nomen indessen Omen ist, während die grandios in Aussicht gestellte Freiheit doch bereits seit eh und je bestanden hat, ist fraglich. Eher kommt der Verdacht auf, Bestehendes könnte gefährdet sein. Die Freiheit nämlich, die wir in unserm Land immer hatten und die nicht nur den Dränglern, sondern der ganzen Bevölkerung zusteht.
Sei es bei Stellenausschreibungen, Wahlen für Ehren- und andere Ämter, Castings in der Unterhaltungsbranche, Schönheitswettbewerben oder Werbespots - leider wird die Welt nicht gerechter, wenn ständig und überall streng auf Diversität geachtet wird. Was unzweifelhaft gut gemeint ist, verfehlt das Ziel im Kern. Man könnte von Symbolpolitik sprechen oder von Goodwill-Demonstration, tatsächlich nennt man es Identitätspolitik. Überzeugender, authentischer und gewiss auch wirkungsvoller wäre es, wenn menschliche Unterschiedlichkeiten betreffend Alter, Geschlecht, Ethnizität, soziale Herkunft und sexuelle Orientierung gar keine Erwähnung mehr fänden und die Gleichwertigkeit aller Menschen ein für allemal zur Selbstverständlichkeit erklärt würde. Solange man aber krampfhaft darauf bedacht ist, eine gerechte Durchmischung herzustellen, konzentriert man sich unweigerlich auf das Ungleiche und Abweichende und erreicht so automatisch das Gegenteil des Gewollten. Wann begreifen die woken Eiferer nur, dass sie sich mit ihrem Vorgehen vom anvisierten Ziel entfernen?
Während sich die epidemische Lage um Covid zu entspannen scheint, spitzt sich eine weitere Bedrohung von weltweitem Ausmass zu. Der russische Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze lässt vermuten, dass ein militärischer Angriff und somit ein Krieg mit unabschätzbaren Folgen kurz bevorsteht. Man hat das Gefühl, Putin könne es nicht erwarten, mit seiner Armee endlich den Ernstfall gegen Europa zu erproben. Das macht Angst, und die Aussicht auf die seit Beginn der Pandemie ersehnte Normalität rückt wieder in weite Ferne.
Kein Wunder also, nimmt die Zahl News-Deprivierter zu! Viele Menschen mögen keine Zeitung mehr lesen, Nachrichten hören oder sich mittels anderer offizieller Kanäle über das aktuelle Geschehen in der Welt informieren. Sie fühlen sich ob der steten Negativ-Nachrichten überfordert und orientieren sich deshalb lieber dort, wo sie eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Realität vorfinden.
Auch ich möchte morgens, wenn ich die Zeitung aufschlage, diese manchmal gleich wieder zur Seite legen. Die fetten Headlines, die mich anspringen, sind fast nie erbaulich und für einen sanften Einstieg in den Tag wenig geeignet. Nur dank meiner Beharrlichkeit stosse ich meistens doch noch auf eine Meldung, die einen erträglichen Tagesbeginn möglich macht. Und da ich ein positiv denkendes und weitgehend positiv empfindendes Wesen bin, motiviert mich meine Neugierde jeweils zum Weiterlesen. So bewältige ich auch Artikel, die mich beunruhigen, ärgern oder gar in Rage versetzen. Es ist für mich keine Option, vor Unliebsamem die Augen zu schliessen. Gut informiert zu sein, erachte ich als Privileg. Auch wenn mir nicht gefällt, was ich erfahre, lohnt es sich, Bescheid zu wissen. Nur so nehme ich auch die positiven Ereignisse und Entwicklungen wahr. Dass es sie trotz allem gibt, darf nicht übersehen werden. Dank ihnen werde ich den Kopf nie in den Sand stecken. Selbst dann nicht, wenn mir der Sand bis zum Hals reicht…