Sprachliche Abgründe
Der Sprengkörper des Typs GBU-43B Massive Ordnance Air Blast (MOAB) mit dem verstörenden Namen „Mutter aller Bomben“, erinnert mich an das Monumentalwerk „Der König aller Krankheiten“, in dem Siddharta Mukherrjee die Geschichte der Menschheitsgeissel Krebs beschreibt. Mutter und König stehen sinnbildlich für Superlative menschlichen Leids, was zu einer völlig neuen Bedeutung zweier vertrauter Begriffe führt. Die „Mutter aller Bomben“ ist dieser Tage erstmals von den Amerikanern eingesetzt worden. Den Berichten zufolge hat sie in Afghanistan ein Tunnelsystem des IS zerstört und 36 Mitglieder der Terrororganisation getötet. Was der „König aller Krankheiten“ anrichtet, wissen wir leider zur Genüge. Metaphern sollen das Extreme, Ultimative und nicht zu Überbietende einer Wirkung ausdrücken. Bildhaftigkeit der Sprache ist wie das Gewürz in der Speise. Unter den Kriegsmitteln ist die neuartige Bombe, was der Krebs unter den Krankheiten darstellt. So lesen sich Schreckensmeldungen besser, auch wenn sie uns eigentlich zum Innehalten veranlassen müssten. Solche Metaphern sind Sprache gewordener Populismus und verleiten zu einer vereinfachten Sicht. Blasphemisch anmutende Umdeutungen lösen falsche Empfindungen aus. Eine Krankheit kann kein König und eine Bombe kann keine Mutter sein.