Gefühle und Empfindungen
Eigentlich habe ich immer geglaubt, dass sich Gefühle und Empfindungen nicht unterscheiden lassen. Jetzt bin ich auf seltsame Art eines Besseren belehrt worden. Als Synonyme kann man die beiden Worte sicher auch weiterhin verwenden. Für mich haben sie mittlerweile aber eine unterschiedliche Bedeutung. Die Gefühle spielen sich nach meiner höchstpersönlichen Definition in der Gegenwart ab. Empfindungen verspüre ich hingegen dann, wenn ich mich später an die Gefühle erinnere. Letzteres ist mir eben wieder einmal passiert. Mir nahe stehende junge Leute haben mich mit ihrem Liebeskummer konfrontiert und nachdenklich gemacht. Dass ich, wie fast alle Menschen, auch schon solchen Kummer erleiden musste, weiss ich natürlich. Wie es sich anfühlt, habe ich aber längst vergessen, und was mir in grauer Vorzeit hin und wieder passiert ist, wird mir auch nie mehr widerfahren. Auf Liebeskummer reagiere ich daher nicht mit Gefühlen, aber mit Empfindungen. Ich empfinde Mitleid mit allen, die vom Liebeskummer geplagt werden, und bin trotzdem kein glaubwürdiger Tröster. Etwas Sinnvolles würde ich jedoch gerne sagen. Für mich ist akuter Liebeskummer der Beweis, dass die von ihm Gebeutelten noch jung sind und noch wahrhaftig leben. Ob man sich so äussern darf? Gefühlvoll wirkt das ja nicht. Empfindsamkeit lässt sich damit allerdings zeigen. Das ist auch nötig, denn der bittersüsse Seelenschmerz von jungen Menschen darf uns nie kalt lassen.