Zwischen Macht und Menschlichkeit
Das kürzliche Schuldbekenntnis der deutschen Bundeskanzlerin lässt die Leute rätseln. Ein schlauer Schachzug? Taktik der gehobenen Art? Vielleicht bin ich naiv, wenn ich hinter Angela Merkels Entschuldigung „nur“ das sehe, was eine Entschuldigung sein will. Das Eingeständnis, einen Fehler begangen zu haben und die Grösse, ohne Ausflüchte dazu zu stehen.
Weshalb mich Frau Merkels jüngstes Statement so sehr beschäftigt, kann ich nicht genau sagen. Mir fehlt die logische Erklärung, dennoch habe ich eine Ahnung. Mich interessiert, was sich im Leben einer Politpersönlichkeit zwischen Macht und Menschlichkeit abspielt. In dem Bereich also, der sich dem öffentlichen Fokus entzieht und den man aufgrund von Gestik und Mimik zu entschlüsseln sucht. Ich widerspreche nicht, wenn die Kanzlerin als clevere Strategin bezeichnet wird. Aber ich erkenne weit mehr als das politisch-strategische Talent, das diese aussergewöhnliche Frau auszeichnet und sechzehn Jahre lang Bundeskanzlerin bleiben liess. Ihr nüchternes Wesen, welches ohne Schauspielerei und Extravaganzen auskommt, muss Ausdruck innerer Stärke sein. Angela Merkel verkörpert Authentizität in reinster Form und sie überzeugt durch ihre Überzeugung. Ein Gefühl, das sich nicht verwedeln lässt. Aus nachbarschaftlicher Distanz wünsche ich mir auch für die Schweiz einige Merkels. Persönlichkeiten, die nicht nur kämpferisch ihre Politik betreiben, sondern auch einmal innehalten und einen Fehler zugeben. Doch das wäre wohl zuviel verlangt.